Sarasins Guantanamo
kultur.magazin, S. 4 ff, Michèle Binswanger bringt Heissluftventilator Philipp Sarasin per Interview zu folgenden Aussagen (Gratuliere!):
Ich glaube, der Wiederaufsteig der Religionen hängt auch damit zusammen, dass viele Leute das alles als leer empfinden. Sie sagen: endlos Sex und Geld, das interessiert mich nicht mehr, ich will einen tieferen Sinn. Dass es diesen tieferen Sinn aus der Perspektive der Aufklärung nicht mehr gibt, scheint offenbar schwer auszuhalten.
Was genau haben wir denn verloren?
Ein starkes Bild, das mir bei Ihrer Frage in den Sinn kommt, stammt aus dem Bericht eines ehemaligen Wärters in Guantànamo. Eine der offenbar brutalsten Massnahmen, um die Gefangenen geständig zu machen, ist diese: Die islamischen Männer werden gefesselt, auf den Boden gelegt und dann strippt eine Tänzerin über ihnen. Es soll nie so viele Selbstmordversuche geben wie nach dieser Prozedur. Daran sieht man vielleicht, wie spezifisch unsere Kultur ist, und überdies, dass wir offenbar bestimmte Werte verloren haben, die zum Beispiel einem gläubigen Muslim sehr wichtig sind. Ich will nicht sagen, dass ich diesen Werteverlust persönlich bedaure, ich stelle ihn aber fest.
Wenn die Folterknechte in Guantanamo eine Frau mit finanziellen Anreizen dazu bringen, sich über einem gefesselten Gefangenen auszuziehen, sehe ich vieles, nur keine Spezifik "unserer" Kultur. Angesichts der so traktierten Gefangenen, die sich danach lieber umbringen, als in Guantanamo weiterzuvegetieren (Namensliste der 434 bekannten Gefangenen, publiziert von der Washington Post), diagnostiziert Historiker Sarasin an sich selber einen nicht zu bedauernden Werteverlust. Das heisst, Sarasin ist froh, dass er gefesselt am Boden liegend eine Stripperin über sich ertragen könnte, ohne danach mit dem Suizid zu liebäugeln. Das glaub ich ihm sofort, ginge wohl den meisten hierzulande so und ist darum von eher magerem Erkenntniswert. Wie allerdings reagierte Sarasin nach drei Jahren Lagerhaft in Guantanamo auf diese Folter? Was wär von ihm noch übrig? Was könnte er noch mobilisieren, um seinen Überlebenswillen aufrecht zu erhalten? Oder würde nicht auch er, Herkunft aus dem "Basler Daig" hin oder her, die Toten beneiden? Das nimmt mich wunder, und nicht Sarasins kurzatmige Kulturtheorie. Und, um noch arroganter zu wirken: Der ganze Körperdiskurs ist ja so was von passé, Herr Sarasin!
Ich glaube, der Wiederaufsteig der Religionen hängt auch damit zusammen, dass viele Leute das alles als leer empfinden. Sie sagen: endlos Sex und Geld, das interessiert mich nicht mehr, ich will einen tieferen Sinn. Dass es diesen tieferen Sinn aus der Perspektive der Aufklärung nicht mehr gibt, scheint offenbar schwer auszuhalten.
Was genau haben wir denn verloren?
Ein starkes Bild, das mir bei Ihrer Frage in den Sinn kommt, stammt aus dem Bericht eines ehemaligen Wärters in Guantànamo. Eine der offenbar brutalsten Massnahmen, um die Gefangenen geständig zu machen, ist diese: Die islamischen Männer werden gefesselt, auf den Boden gelegt und dann strippt eine Tänzerin über ihnen. Es soll nie so viele Selbstmordversuche geben wie nach dieser Prozedur. Daran sieht man vielleicht, wie spezifisch unsere Kultur ist, und überdies, dass wir offenbar bestimmte Werte verloren haben, die zum Beispiel einem gläubigen Muslim sehr wichtig sind. Ich will nicht sagen, dass ich diesen Werteverlust persönlich bedaure, ich stelle ihn aber fest.
Wenn die Folterknechte in Guantanamo eine Frau mit finanziellen Anreizen dazu bringen, sich über einem gefesselten Gefangenen auszuziehen, sehe ich vieles, nur keine Spezifik "unserer" Kultur. Angesichts der so traktierten Gefangenen, die sich danach lieber umbringen, als in Guantanamo weiterzuvegetieren (Namensliste der 434 bekannten Gefangenen, publiziert von der Washington Post), diagnostiziert Historiker Sarasin an sich selber einen nicht zu bedauernden Werteverlust. Das heisst, Sarasin ist froh, dass er gefesselt am Boden liegend eine Stripperin über sich ertragen könnte, ohne danach mit dem Suizid zu liebäugeln. Das glaub ich ihm sofort, ginge wohl den meisten hierzulande so und ist darum von eher magerem Erkenntniswert. Wie allerdings reagierte Sarasin nach drei Jahren Lagerhaft in Guantanamo auf diese Folter? Was wär von ihm noch übrig? Was könnte er noch mobilisieren, um seinen Überlebenswillen aufrecht zu erhalten? Oder würde nicht auch er, Herkunft aus dem "Basler Daig" hin oder her, die Toten beneiden? Das nimmt mich wunder, und nicht Sarasins kurzatmige Kulturtheorie. Und, um noch arroganter zu wirken: Der ganze Körperdiskurs ist ja so was von passé, Herr Sarasin!
patpatpat - 31. Okt, 11:02
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