Dienstag, 3. Januar 2006

Die anonyme Dichterin

Wirtschaftsredaktorin Franziska Pfister trägt auf S. 15 das Gedicht vor, das ihr "eine Verkäuferin eines Basler Warenhauses" diktiert hat. Mehr erfahren wir über die bescheidene, aber sehr begabte Autorin nicht, deren - nahezu - Prosagedicht in den ersten Zeilen dem immer seltener anzutreffenden Schema "aabbdefgahijklamn" folgt:

Zum Ausverkauf kommen die Leute zwar in Scharen.
Ziehen tut das Geschäft aber nicht wie in anderen Jahren

zumindest in meinem Rayon,
der Damenbekleidung.

Das kann mit dem Wetter zu tun haben:
Der Schnee
von letzter Woche
hat sicher

einige abgehalten, in die Stadt zu fahren.

Zurzeit tauschen viele Kunden
Weihnachtsgeschenke um oder lösen
Gutscheine ein.

Aber eingekauft wird gewählter, nicht
mehr wie vor ein paar Jahren,

als die Leute euphorisch
nach allem Möglichen griffen.


Wie viel Welt in so wenig Zeilen stecken kann! Die Essenz der existenziellen Erfahrung eines jeden Individuums in der postindustriellen, globalisierten Gesellschaft, gefasst in bewegende und berührende Zeilen. Konkret, einfach und gleichzeitig voller erschütternder Wahrheit.

Ent oder weder, Party oder Knast

Das Zitat des Tages stammt heute von Khoutir Khechab, Leiter eines sozio-kulturellen Zentrums im Strassburger Vorort Neuhof. Das Partyangebot an Silvester beschreibt er auf S. 13 in einem Artikel von Bärbel Nückles so:

«Die Jugendlichen hatten – überspitzt gesprochen – zwei Möglichkeiten: Festgenommen werden oder zu einem der Feste gehen.»

Und wie brachten die Strassbuger FreundInnen und HelferInnen den Jugendlichen diese reichhaltige Auswahl näher? Sehr individuell, offenbar:

An beinahe jeder Kreuzung hätten die Sondereinsatzkräfte CRS in Neuhof gestanden, sagt Khechab. Doch im Vergleich zu früheren Jahren, als die CRS in grossen Bussen das Viertel regelrecht belagert hätten, beschreibt er das Polizeiaufgebot als weniger bedrohlich.

Der Erfolg der Aktion?

15 Fahrzeuge brannten in Strassburg, 22 im gesamten Département, 2004 waren es noch 32, 2000 auf 2001 allein in Strassburg 53.

Dank massiver Polizeipräsenz die Zahl der abgefakelten Autos im Vergleich zur Vorjahresperiode (Silvester / Neujahr) um 30% reduziert: Ein voller Erfolg. Insofern ist die zynische Frage am Anfang des Artikels durchaus mit Ja! zu beantworten:

Ernten die Städte im Elsass nun die Früchte jahrelanger Sozialarbeit?

Schneidermania

SonntagsZeitung, Tagi, DRS3 und jetzt neu auch in der baz: Peter Schneider, lesen wir im kulturmagazin auf S. 2,

ist Psychoanalytiker und Publizist. Seine satirische Presseschau ist täglich auf DRS3 zu hören.

Na dann lassen wir sie doch dort, wo sie - meistens - funktioniert. Zu gedruckten Buchstaben geronnen ist sie bestenfalls halb so amüsant. Die aktuelle Spalte in der baz schafft allerdings nicht mal dies.

Gesammelte Bazismen

Die baz (Basler Zeitung) ist die beste Zeitung der Welt und ich bin ihr Prophet! It's a dirty job, but somebody's got to do it! language is a baz-illus! Hier können übrigens alle mitschreiben. Alle mit einem twoday-account. Und der ist gratis! Feedback via "bazismus @ mac.com".

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