Es gibt Dinge, die würde die baz nie ansprechen. Und wer schweigt, produziert keine Bazismen. Worum geht's? Darum, dass die heute erschienene Ausgabe des Wirtschaftsblattes CASH in ihrem Aufmacher auf der Frontseite berichtet, dass - nach einigermassen objektiven Kriterien wie Steuerlast und Schuldenberg - rot regierte Städte in der Schweiz tendenziell besser dastehen als bürgerlich dominierte. Zitat:
In sieben der zehn grössten Städte habe die Linken das Sagen. Auch Basel könnte am Sonntag rot werden. Grund zur Sorge? Nein, denn Rot-Grün hat die Finanzen besser im Griff als die Bürgerlichen. (...) Linke Politiker gelten als ausgabefreudig. Übernehmen sie das Zepter, steigen die Steuern. Das befürchtet jedenfalls das Gewerbe in Basel, wo sich bei den Wahlen am Sonntag eine rote Mehrheit abzeichnet. Die Berner Wirtschaft beruhigt: Sie lebt gut mit einer linken Regierung - und Zürich auch. In beiden Orten sind die Steuern gesunken.
Das liesse sich natürlich auch so lesen, dass die Sozialdemokraten die besseren Bürgerlichen sind... Aber das wär jetzt ein weites Feld, wie - glaub ich - Vater Briest auf einer der letzten Seiten sagt...
patpatpat - 25. Nov, 13:53
... ist wie Tanzen über Architektur" sagte - je nach Quelle - Frank Zappa oder Elvis Costello (oder halt sonst jemand). Ein interessant krasses Beispiel befindet sich im kulturmagazin auf S. 19 und stammt aus der Feder von Boris Schibler.
...ein Werk über Venedig von einem Komponisten, der 1947 geboren wurde, und das seine musikalischen Wurzeln im Freejazz und in der Improvisation hat. So jedenfalls lässt sich Max E. Kellers "Löwen Löwen" auf Texte von Klaus Merz für Sopran und Geige grob umreissen. Das ist nicht mehr oder weniger anachronistisch als die Stadt selber. Die kurzen Texte beschreiben alltägliche Begebenheiten, Impressionen des Nebensächlichen, wie sie einem überall begegnen können. Aber nur in Venedig, diesem Architektur gewordenen Memento mori, weisen sie über sich selber hinaus, werden zu philosophischen Betrachtungen über das Dasein. Kellers Komposition nimmt das auf und versucht mit den Mitteln der Musik - Lautstärke, Tonlage, Klangfarbe -,(Ah, Musik! Und ich Idiot hielt's für Architektur!)
den beständigen Zerfall, als prägenden Charakterzug der Stadt, auszudrücken. So dass sich Text und Musik gegenseitig um weitere Bedeutungsfelder anreichern.Ein Bedeutungsfeld für Dich, ein Bedeutungsfeld für mich, ein Bedeutungsfeld für Dich, ein Bedeutungsfeld für mich, ein Bedeutungsfeld für Dich, ein Bedeutungsfeld für mich, ein Bedeutungsfeld für Dich, ein Bedeutungsfeld für mich. Und als ob's Bauklötze wären, stapeln wir jetzt die Felder zu Architektur.
Rheinschanze 6, übernehmen
Sie!
patpatpat - 25. Nov, 10:33
... allein - mir fehlt der Glaube," muss Tom Gsteiger, Autor des Artikels im kulturmagazin auf S. 15, gedacht haben, als ihm sein Gesprächspartner Nik Bärtsch sagte, das Schwierigste sei, am richtigen Ort nichts zu tun. Hätte sich Gsteiger für einen Moment in sich selbst versenkt, hätte er die Bedeutung von Bärtschs Aussage verstanden, und wär nicht dem Irrglauben verfallen, ein Potenzial liesse sich auslösen, wie er behauptet.
Ein wichtiges Anliegen von Nik Bärtsch ist es, Stimmungen zu kreieren, die sowohl zum Nachdenken anregen als auch ein gewisses "Groovesuchtpotenzial" auslösen.
Von der Behauptung, Bärtsch zelebriere "repetitive Hartnäckigkeit", ganz zu schweigen...
Spannung schafft Bärtsch weder durch halsbrecherische Virtuosität noch durch abrupte Stimmungsumschwünge, sondern durch repetitive Hartnäckigkeit und Fokussierung auf klangliche Details.
patpatpat - 25. Nov, 09:50
Ein Mann geht seinen Weg. Tadeus "Sprachdrechsler" Pfeifer ist vielleicht der letzte seiner Art bei der baz. Darum lest seine Besprechung im kulturmagazin auf S. 20 einer Ausstellung in der Galerie Vogt/Hutter, die Bilder von Hermanus van der Meijden zeigt. Pfeifer schenkt uns Pretiosen wie diese:
Der Holländer Hermanus van der Meijden (1915 - 1990), als Künstler nur bei seinem Vornamen genannt, der seit 1953 im Tessin lebte und arbeitete, verrät einem jedoch die konsequente Haltung eines Eigenbrötlers, der seine Suche nie verriet oder aufgab und sie an die Grenzen seines Könnens und seiner Visionen führte.
Hermanus nahm seine Suche bei der Hand und führte sie bis an die Grenzen seiner Visionen. Wunderbar! Unsereiner hätte zwar statt "und sie" ", die ihn" geschrieben, aber wir sind auch keine Künstler!
Er muss ein sturer Kopf gewesen sein, um ein so unspektakuläres Lebenswerk selbstbewusst zu hinterlassen.
Es mag Geschmackssache sein, aber ich für meinen Teil hätte das "selbstbewusst" nach dem "um" platziert und es hätte mich verständlicher gedünkt.
Es handelt sich um das unvermutete Ereignis des Blickwechsels, um die allmählich sich einstellende Veränderung der Perspektive.
So schön, das "unvermutete Ereignis". Ich weiss zwar nicht genau, was es ist, aber: So schön!
Ist diese Justierung des Blicks einmal beim Betrachter angekommen, kann er sich dem Zauber kaum noch entziehen.
Man kann's auch so sagen. Man muss nicht. Man darf. Und es läuft dann unter "künstlerische Freiheit", bitte! Unter den gleichen Titel gehört dieser Schlusssatz, dessen Struktur mich augenblicklich an die in sich verdrehte Doppelhelix der DNS denken lässt:
Auch die abenteuerlichsten Vorstellungen des Betrachters von ihren skulpturalen Qualitäten bringen die Bilder nicht zum Einsturz, so dass er in ihnen umherzuwandeln beginnt, während sich die Frage einstellt, wie sie wohl aussähen, wenn er sie umrunden könnte.
Was für ein gewaltiger, gekonnt gesetzter Schlussakkord! Ich sehe eine standing ovation im Saal!
patpatpat - 25. Nov, 09:07