Mittwoch, 7. Dezember 2005

Zulassungsprüfungen für das Medizinstudium

Soll zu der Diskussion wirklich noch etwas gesagt werden? Basel wegen den bösen Secondos auf einem tiefen Niveau?

Also doch: Das Thema ist schon seit langem bekannt. In den Jahren 2002 und 2003 wurde die Bevölkerung ennet dem Jura schon längst über diese Prüfung und das notorisch schlechte Abschneiden der Stadtbasler Schulabgänger aufgeklärt. Wer also seine Information nicht nur aus der BaZ holte, wusste davon. In Basel wurde das Thema unter dem Deckel gehalten: was nicht sein darf... Letztes Jahr dann der Tabu-Bruch: Nachdem 20Minuten respektlos das Thema auch in Basel angeschnitten hatte, musste wohl oder übel auch unser Monopol-Medium die Sache aufnehmen. Die Basler Schul-Verantwortlichen konnten damals die Leser beruhigen, dass alles gar nicht so schlimm sei, etwa mit Aussagen wie:

«Wer eine gute Matur abgelegt hat, hat absolut intakte Chancen bei dieser Prüfung.» Signer vermutet, Basler Maturanden mit einem mittelmässigen Maturzeugnis hätten möglicherweise weniger Respekt vor der Mediziner-Prüfung als Maturanden anderer Kantone.

Also nicht nur Dummheit ist lernbar sondern auch Arroganz. Abgerundet wurde diese Aussage mit dem typisch baslerischen Hinweis, dass alle Schulen gleich gut seien (was von Insidern vehement bestritten wird).

Dieses Jahr wird es allerdings heftiger:

Hans Georg Signer, Ressortleiter Schulen des Kanton Basel-Stadt, führt die fast schon traditionelle Basler Flaute auf drei Faktoren zurück: Auf den Sonderstatus des urbanen Kantons Basel-Stadt, auf hohe Teilnehmerzahl und, vor allem, auf die sprachliche Heterogenität der hiesigen Maturanden. «Die Studie zeigt, dass Basel nur in den sprachlichen Disziplinen auffällig schlecht abgeschnitten hat», sagt Signer.
  • Der Sonderstatus ist immer gut, wenn es einem nicht gelang, Versäumnisse im Bildungswesen nachzuholen.
  • Die hohe Teilnehmerzahl? Machen zu viele die Matur, die diesen Bildungsweg meiden sollten? By the way: Basel hat laut Bericht die höchste Maturitätsquote, stellte jedoch bei weitem nicht die grösste Teilnehmerzahl (ZH, BE, AG, BL, LU, SG z.B. schickten mehr Maturanden)
  • Der dritte Punkt ist jedoch der schönste: wozu geht jemand in die Schule, wenn nicht, um lernen sich auszudrücken? Was bedeutet die Matur anderes als das erfolgreiche Erlernen vor allem von Sprachkompetenz? Verteilen wir politisch korrekte oder sachlich berechtigte Maturzeugnisse?
Tröstlich ist, dass das Thema jetzt wieder erfolgreich unter den Tisch gekehrt wird, bis nächstes Jahr irgend so ein ketzerisches Blatt darauf hinweist, dass die über weite Strecken ebenso "urbanen" Landschäftler oder Aargauer, wo es aber anscheinend keine "sprachliche Heterogenität" gibt, weit besser abschliessen als unser Halbkanton.

Der Test ist ja schliesslich gemäss Aussagen der Verantwortlichen nicht repräsentativ. Und Basel-Stadt hat sich dem Vergleich durch PISA wohlweislich verweigert.

P.S. zu Handen des gründlichen Journalisten Gabriel Vetter:
Der Test wird jedes Jahr durchgeführt und ausgewertet, nicht alle drei Jahre. Die Berichte seit 1998 sind im Internet einsehbar. "Kantönligeist einmal anders"? Hoffen wir, dass der bildungspolitische Kantönligeist nicht weiterhin zu Lasten unserer Kinder geht.

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Ohnstein - 8. Dez, 14:17

Am falschen Ende aufgezäumt

Die Aufregung um das offenbar unterdurchschnittliche Abschneiden der Basler Maturandinnen im "Eignungstest" der Konferenz Schweizerischer Hochschulrektoren scheint mir etwas fehlgeleitet. Wer eigentlich gibt die "Eignungsprüfung" als Bildungsmass an? Es sind deren Schöpfer und ihre Heroldin – die NZZ am Sonntag samt ihrer alten Mutter. Das ganze Getue um das angeblich entlarvende Ranking lenkt ziemlich effizient davon ab, dass dieses von deutschen Psychologen als "Sesam öffne Dich" für das Medizinstudium erarbeitete Hürdenrennen sich wie Mikado, Korbball oder Gluggern als Auswahlverfahren eignet. Denn bei all diesen Tests kann man nachher die Teilnehmenden in Ranglisten aufreihen und die gewünschte Zahl der Gewinnenden von oben her auswählen. Keineswegs aber ist erwiesen, dass da Eignung für die Medizin oder gar Bildung gemessen wird. Der stressige Marathon mit all diesen Memory-Spielchen und tausend Fragen, die auch in sieben Stunden von den Teilnehmenden schon von Anfang an nicht alle beantwortet werden können (worauf die Testveranstalterin hinweist) ist vielleicht nichts anderes als eine teure Lotterie, die man folgenlos durch einfaches Strohhalm Ziehen ersetzen könnte. Der meines Wissens einzige Befund im Blick auf die Fitness für das Medizinstudium ist der, dass wiederholende Durchgefallene auch im ersten Prope schlechter abschliessen. Möglicherweise findet hier tatsächlich eine Selektion auf Menschen mit besser funktionierendem Kurzzeitgedächtnis statt. Ob mir ein Arzt mit ebensolchem wohl auch besser gegen Vogelgrippe hilft? Vielleicht erinnert er sich besser, wo es Tamiflu gibt. Befriedigt wäre ich erst, wenn man den Test mit allen Medizinprofessoren, Chefärztinnen, Politikern und anderen gebildeten (sogar JournalistInnen?) machen würde und mit deren Ruf bei den Patienten korrelieren würde. Wir würden uns wohl die Augen reiben. Insofern kann man der besten aller Tageszeitungen höchstens zum Vorwurf machen, dass sie nicht da den Finger drauf hält, sondern einmal mehr den armen Schulchef Signer zu Statements verleitet, die - siehe oben - bei dieser schrägen Messung des Bildungsstands gar nicht gemacht werden sollten. Im nächsten Sommer sollten wir mal alle genauer hinschauen, was da eigentlich geschieht. Aber die Medizin ist ja schon lange nicht mehr das, was sie vielleicht einmal wahr. Insofern haben die Durchgefallenen vielleicht nur einfach ein Riesenschwein gehabt...

Holbein - 8. Dez, 15:37

ernst zu nehmen

wie ernst sind diese tests zu nehmen. wenn man die fragen durchliest, hat man eher das gefühl, auf der rätselecke des BLICK zu sein als in einem examen. kommt dazu, dass hartnäckig behauptet wird, in verschiedenen kantonen (auch BL!) seien die fragen schon vor dem test verfügbar. komisch, oder?

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