Dienstag, 2. November 2004

Aus dem Zusammenhang reissen...

... ist eine Kunst, die die baz besonders gut beherrscht. Sie hat sogar eine eigene Rubrik dafür. Auf S. 2, und sie trägt den Titel "ansage". Heute les ich da von Wim Wenders den reichlich schwachsinnigen Satz, den er am Sonntagabend als Gast von Sabine Christiansen rausgelassen hat:

Bin Ladens Terrorismus hat das Land Amerika dazu geführt, auch zu einem fundamentalistischen, totalitären Staat zu werden.

Nun mag man ja Bush und Konsorten zu recht für Scheisse, die Amis überhaupt für zu dick und zu doof, die US-Aussenpolitik für imperialistisch und Hollywood für zu dominant halten, aber darum sind die USA als Staat immer noch ein gutes Stück davon entfernt, totalitär oder fundamentalistisch zu sein. Meine Wenigkeit hat zufällig vorbeigezappt, als Wenders grad seinen Satz vom Stapel liess. In der Runde mit Scharping, Schäuble, Scholl-Latour und Burt, die der Frage nachging "Was bedeutet die US-Wahl für Deutschland?", mimte Wenders zwar nach Kräften den USA-kritischen bis antiamerikanischen Linksausleger, aber so richtig zu überzeugen vermochte er nicht. Sorry. Und warum druckt die baz den Satz grad heute? Wohl weil die US-Taliban heute ihren neuen Führer wählen, wie Herr Wenders meint.

Kotzer des Tages

Ich erhebe mich steif. Und schreite würdig zur Toilette. Dann kotze ich jaulend die Schüssel voll. (...) "Gib das Letzte!" - feuert Innocent mich [beim Kotzen] hämisch grinsend an.

Trash-"Literatur"? Freistilschreiben? Bukowski at his best? Nein. Nur -minu bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Gegen Entgelt ordinäre Détails aus seinem Privatleben erfinden und der baz die Seiten damit füllen. baz.regiomagazin S. 6

Indiskretion à discrétion

Die Baslerin Natascha Borer arbeitet für den Besuchsdienst Basel. Dabei ging es ihr früher selber sehr schlecht (...)

Charles Martin versucht im bazregio.magazin auf S. 7 eine junge Frau namens Natascha Borer zu portraitieren und gleichzeitig den Besuchsdienst Basel vorzustellen. Diese Institution bietet gewissen IV-BezügerInnen eine Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeit. Was liefert er mir? Schwurbel zum Einstieg. "Sie arbeitet für den Besuchsdienst, dabei ging es ihr früher selber schlecht." Aha. Also ganz im Sinne von: Autor Charles Martin arbeitet für die baz, dabei las er früher selber Zeitung. Schade, schon den Einstieg verpatzt. War wohl wieder der Dienstredaktor, der zu später Stunde, kurz vor Redaktionsschluss, noch einen Lead hinschmieren musste? Was schwach anfängt, lässt später schwer nach. Was will Martin von mir? Warum erzählt er mir all die Détails aus der Biographie einer Fremden, die mich nix angehen? Der Titel

Lebensfreude durch Heilen - Natascha Borer besucht einsame Menschen im Altersheim

verspricht mir Einblicke in die Arbeit einer Mitarbeiterin des Besuchsdienstes. Das könnte ja interessant sein. Könnte. Aber um Borers Arbeit geht es auf gerade mal vier Zeitungszeilen.

Natascha Borer ist in den Altersheimen gern gesehen. Nach ihren Besuchen seien die Betagten wieder viel ausgeglichener, viel zufriedener, heisst es.

Den Rest füllt Martin mit voyeuristischen Beschreibungen der aktuellen und vergangenen psychischen Probleme von Borer. Eine verfehlte Perspektive eines an sich interessanten Themas. Martin streift die eigentlichen Geschichten zwei Mal, ohne es zu merken. Er lässt Borer sagen:

Vor allem muss ich, sollte ich gesundheitlich wieder mal eine schwierige Phase durchmachen, nicht um meinen Job bangen, und das ist äusserst wichtig, um in die Gesellschaft zurückzufinden

Und dann verpasst er den Punkt gleich nochmals:

Ein bedeutender Meilenstein war ein neues Medikament. "Es hilft mir, das psychische Leiden weitestgehend in Schach zu halten, lässt jedoch alle meine Gefühle wieder zu."

Von da her aufgedröselt, hätte ich was über den Besuchsdienst erfahren anhand von Borer als Beispiel. Davon weiss ich aber nach der Lektüre gar nix. Dafür bin ich unangenehm berührt von den intimen Détails, die Martin grundlos vor mir ausbreitet.

Ghettoblues of the rich

Die beklagenswerten Millionäre in ihrem Ghetto namens Bruderholz! Sie leben so anonym wie in einer Mietskaserne: Man kennt das ältere Ehepaar in der Nachbarsvilla am Horizont kaum mit Namen. Zum Glück berichtet uns die beste Zeitung der Welt von der Millionärsselbsthifegruppe, die - laut Titel -

Begegnungsmöglichkeiten für das Bruderholz

schafft, wie Charles Martin - schon wieder der? - im regiomagazin auf S.8 berichtet.

Bei den einen gilt er als elitär, bei den anderen als ideale Wohngegend nahe an der Natur: Der Bruderholz-Hügel.

Das sind noch Gegensätze von altem Schrot und Korn! "Elitär" vs. "ideale Wohngegend". Was hör ich da: Das ist gar kein Gegensatz? Sag ich ja, aber wer mit "bei den einen, ... bei den anderen" hantiert, sollte einen Gegensatz verwenden. Das gilt nicht für bazler? Ok, sorry, hab ich ganz vergessen. Noch ein Détail: Wie in aller Welt ein Hügel "elitär" sein kann, das müsste man mir erst erklären. Egal. Denen auf demselben ist ja auch alles egal, wie Martin Erich Bucher, den Präsidenten des Neutralen Bruderholz-Quartier-Vereins, sagen lässt:

Es ist richtig, dass wir viele gut betuchte Anwohner im Bruderholz zählen. Aber dies gilt nicht ausschliesslich. Bei uns sind alle willkommen, und gerade auch zu unseren öffentlichen Anlässen.

Nein, nein, es dürfen alle kommen! Auch für die Armutsliste enthüllen die Millionärsgattinnen ihre malen-nach-Zahlen-Bilder:

Einer dieser Anlässe findet in der ersten Novemberhälfte statt. Der Kultur-Event des Bruderholz ist in den vergangenen sechs Jahren allmählich zum kleinen Grossereignis gewachsen. "Wir fördern vor allem unsere Künstlerinnen und Künstler aus dem Quartier fürs Quartier", betont Erich Bucher. Diese können zum Beispiel ihre Bilder unentgeltlich ausstellen. "Wir hatten letztes Jahr eine Künstlerin, die nach der Ausstellung an unserem Kultur-Event ihre Bilder gar in einer Basler Galerie zeigen durfte, " sagt Erich Bucher sichtlich erfreut.

Es ist gar nicht das viele Geld oder der Ruhm oder die Villa auf dem Bruderholz. Es sind kleine, einfache Freuden, die im Grunde das Lebensglück ausmachen, oder?

Frauen gehören an den Herd!

Leila Straumann, Leiterin des Gleichstellungsbüros des Kantons Basel-Stadt in ihrer Kolumne auf S. 15 des regiomagazins, über die Frau im allgemeinen und ihre Bestimmung im speziellen:

Da sie - ihrer vorgegebenen Rolle entsprechend - einmal Beruf und Familie vereinbaren wollen, entscheiden sie sich oft für Berufe, in denen Teilzeitarbeit üblich ist.

Was Straumann sagt nochmals in slow motion: 1. Frauen haben eine vorgegebene Rolle. 2. um ihr gerecht zu werden, wählen sie Berufe, in denen Teilzeitarbeit üblich ist. 3. Die Rolle besteht darin, für die Familie da zu sein, sprich Kinder zu gebären und am Herd zu stehen. 4. Teilzeit bereitet am besten auf 3. vor. Ende slow motion. Das war jetzt böswillig polemisch zugespitzt, geb ich gerne zu. Aber wenn sogar schon die Chefin des Gleichstellungsbüros von "vorgegebenen Rollen" für die Frau phantasiert, dann muss halt ich zur Feministin werden, wenn sie diese Position aufgibt. Dann muss ich ihren Ausrutscher bis zur Kenntlichkeit entstellen. Weniger wär manchmal mehr: Es hätte ja schon gereicht, das zwischen den Gedankenstrichen wegzulassen: "Da sie einmal Beruf und Familie vereinbaren wollen, entscheiden sie sich oft für Berufe, in denen Teilzeitarbeit üblich ist." Wer von "ihrer vorgegebenen Rolle entsprechend" spricht, wo sie etwas meint in der Art von: "dem Klischee entsprechend" oder "dem patriarchalen Rollenbild entsprechend", die zementiert genau den Stereotyp, den als Gleichstellungsbeauftragte abzuschaffen sie angestellt ist.

Der Italiener an und für sich...

... eröffnet gerne Lagerraumsysteme. Jedenfalls behauptet das die beste Zeitung der Welt heute auf ihrer Frontseite oben rechts:

Italiener haben in Basel ein neues Lagerraumsystem eröffnet.

Was das Weltblatt verschweigt: Kurden haben in Basel ein neues Pizzasystem eröffnet. Iren haben in Basel ein neues Biersystem eröffnet. Türkinnen haben in Basel ein neues Putzsystem eröffnet. Argentinier haben in Basel ein neues Fussballsystem eröffnet. Und, ganz wichtig: Luzerner haben am 4. September in Basel ein neues Zeitungssystem eröffnet!

Man kann's auch übertreiben

Nur weil Bush und Busch gleich tönen, ist das noch lange nicht originell, was auf der Frontseite steht:

Theater in den USA: Neue Bühnenstücke klopfen auf den Bush.

Montag, 1. November 2004

Realsatire des Tages

S. 17, baz.herausgeber Matthias Hagemann über den "Kulturprotest" (die Anführungszeichen sind von ihm):

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, gestatten Sie, dass ich mich heute in eigener Sache an Sie wende.

Wenn's partout nicht weniger schwülstig geht, dann halt meinetwegen!

Seit einiger Zeit agitiert eine kleine, aber aktive Gruppe von Kulturschaffenden gegen das neue Kulturmagazin der baz.

Zunächst: Wo ist da der Gegensatz? Wo ist der Gegensatz zwischen "klein" und "aktiv"? Zwar ist sie klein, aber aktiv? Weniger Schwulst, mehr Schmalz, Hirnschmalz, bitte. Dann geht's weiter.

Die Inserateneinnahmen der baz sanken in dieser Zeit [die letzten vier Jahre] um 27 Millionen Franken pro Jahr.

(Das überflüssige "n" in "Inserateneinnahmen" lassen wir heute durchgehen.) Um wieviel genau, bitte? Jedes Jahr gingen die Einnahmen um 27 Millionen zurück? Macht in 4 Jahren 108 Millionen, die die baz aktuell weniger einnimmt durch Inserate als vor vier Jahren? Das kann ja wohl nicht gemeint sein, wenn der letzte publizierte Jahres-Umsatz der baz-Gruppe rund 140 Millionen betrug. Gemeint ist wohl, dass heute die Inserateeinnahmen 27 Millionen tiefer sind als vor vier Jahren. Die Hagemannsche Formulierung ist mindestens zweideutig. Unzweideutig ist, dass Hagemann "not amused" ist über den Aufstand der Gartenzwerge.

Angesichts dieser Ausgangslage und der damit verbundenen Investitionen wirkt es doch etwas bemühend, wenn nun aus einer bestimmten Ecke gegen die Kulturberichterstattung der baz polemisiert und ihr gar "geistige Abrüstung" oder Ähnliches unterstellt wird. (...) Da wirkt der nun ergangene Boykottaufruf ebenso unverhältnismässig wie die generelle Empörung, die sich gewisser Kulturschaffender anscheinend bemächtigt hat. Man wird das Gefühl nicht los, dass hinter den vorgetragenen kulturpolitischen Argumenten auch handfeste persönliche Interessen stecken. So verdient zum Beispiel der Initiant des offenen Briefes und des Boykottaufrufs seinerseits Geld mit der Vermittlung von Publikationsraum in der alternativen "ProgrammZeitung". Es leuchtet ein, dass er um seine Pfründe fürchtet. Das alles ist verständlich, hat jedoch mit den hehren Argumenten, die vorgetragen werden, wenig zu tun.

Matthias H. ist beleidigt. Matthias H. leidet unter dem Liebesentzug der Kulturschaffenden. Und kein Kommunikationsberater (Walter Schäfer, übernehmen Sie!) hält ihn rechtzeitig davon ab, in seinem eigenen Blatt die beleidigte Leberwurst auch noch vor Publikum zu spielen. Dann kommt es halt so weit, dass der Herausgeber des lokalen Monopolblattes die vor Jahren aus der Not geborene kleine, feine ProgrammZeitung mit "alternativ" (Herr H., das ist sowas von 80ies!) abkanzeln muss und ihm kein besseres Argument einfällt, als seinem Kontrahenten eine hidden agenda mit "handfesten persönlichen Interessen" zu unterstellen. Dabei merkt er nicht, dass er primär von sich selber spricht. Denn: Wer verdient hier ganz genau das grosse Geld "mit der Vermittlung von Publikationsraum", wereliwer? Und wer fürchtet um seine Pfründe? Lachender Dritter ist mal wieder -minu. Er darf auf derselben Seite, auf der Hagemann sein Leid klagt, seine (eher unappetitliche) Kolumne mit "Happy Hour" überschreiben.

Frage des Tages

S. 15, in der Montagsreportage (ich weiss eine inzwischen eingestellte linke Tageszeitung aus Basel, die kannte schon Ende der 80er anfangs der 90er Jahre eine Montagsreportage...)

Nichts ist los in Buus. Gar nichts. Aber trotzdem: Ist das Grund genug, um in Gelterkinden einen Laden und einen Kleinlaster anzuzünden? Um Autos aufzubrechen, CD-Players zu klauen, Automaten zu knacken?

Radio Eriwan meint: Im Prinzip ja, denn die Gelerkindlemer hätten sowieso nichts bemerkt, wenn die Täter sich nicht gestellt hätten. Denn, wie lernen wir heute aus der besten Zeitung der Welt:

Das sind doch Trottel.

So betitelt ein Stammtischler im Buuser Rössli die Gelterkindlemer. Nett, wenn man als Gelterkindlemer Nachbarn hat, die so offen sind. Auf dem Land, da sagt man einander halt noch, was man vom anderen denkt. Und dass die baz diese Beleidigung ungefiltert abdruckt, wird dem Klima im Oberbaselbiet sicher nicht schaden, oder?

Wie mach ich aus "Buus" und "Gelterkinden" gemäss den oberbaselbieter Spielregeln ein Eigenschaftswort? Im Kommentar von "fichten" steht's. Danke für den Hinweis. Ich lass meine freihändige Version zu Archivzwecken stehen. Hoffe aber, mich das nächste Mal an die korrekte Version zu erinnern.

Schock des Tages

S. 2, Beat Caspar, tief betroffen

Was vergangenen Dienstag mit der schockierenden Nachricht vom verletzungsbedingten Ausfall Roger Federers an seinem Heimturnier denkbar schlecht begonnen hatte, fand gestern mit einem spannenden Final über fünf Sätze einen guten Abschluss.

Ende gut, Kasse gut!

Ausdruck des Tages

Frontseite, Architekt Jacques "the Duke" Herzog zum Erfolg des auf seinem Reissbrett entstandenen Hochhausprojektes in Davos:

Ich glaube nicht, dass jetzt die Dämme brechen und eine Manhattisierung der Alpen einsetzt.

... aber wünschen tu ich's mir insgeheim schon?

"umstritten, unseriös, unpubliziert"

Remember die Wählerwanderungsanalyse in der baz vom vergangenen Samstag? Das eidgenössische Bundesamt für Statistik hält wenig von der dafür angewandten Methode. Andreas J. Kohlsche, Autor der Analyse für die baz, sei eine Einzelmaske, seine Methode in Fachkreisen höchst umstritten, man könne sie mit guten Gründen für unseriös halten, in der Fachliteratur sei sie nirgends publiziert. Man staune seit Jahren über die Naivität gewisser Medien, die mit Kohlsches Grafiken immer wieder ihre Seiten füllen. Um dies herauszufinden, brauchte ich genau 2 Telefonate. Übrigens: Es gibt sogar eine eigene Broschüre des BfS, die sich kritisch mit u.a. Kohlsches Ansatz auseinandersetzt. Das kann doch einen bazler nicht erschüttern, kein Angst, keine Angst, Rosemarie!

Sonntag, 31. Oktober 2004

Produktivitätsgewinn, unbemerkt

S. 3, Matthias Geering plaudert aus dem Nähkästchen:

Zeitungsfotografen waren früher einem unglaublichen Druck ausgesetzt, denn von ihnen wurde schier Unmenschliches erwartet: Der Wahlgewinner in Siegespose, das entscheidende Tor des FCB im Joggeli, das durchschnittene Band bei der Eröffnung des Augobahnabschnitts - immer wollte die Redaktion das Bild und wusste genau, wie dieses eigentlich auszusehen habe.

Dann folgt der herzergreifende Bericht darüber, dass früher Fotografen Film um Film belichteten, ohne zu wissen, ob sie den richtigen Schnappschuss erwischt hatten. Dann die Erlösung: die Digitalkamera. 30'000 Franken liess die baz damals anno 1996 offenbar springen für ein erstes Profimodell mit einem 1 Megapixel Sensor. Geering schliesst mit der Bemerkung, heute koste ein Spitzengerät 1'800 Franken bei 6 Megapixel. Was mich als Leser aber dieses apperçu angeht, weiss ich bis zur letzten Zeile nicht. Dass elektronische Geräte einem extremen Preiszerfall ausgesetzt sind und gleichzeitig immer mehr können, das weiss das Publikum auch aus eigener Erfahrung. Statt solcher Banalitäten, die sich in drei Sätzen abhandeln liessen, wäre interessanter gewesen, zu erfahren, wie die Digitalkamera die Pressefotografie verändert hat. Ob heute nicht mehr "schier Unmenschliches" erwartet wird von den Fotoleuten, oder - was ich vermute - ob die Erwartungen im Gegenteil noch gestiegen sind: "Du gehst an diese sieben Veranstaltungen und lieferst nur die besten Bilder! Jammere nicht, Du hast ja jetzt eine Digitalkamera!" wo's früher hiess: "Geh an diese Pressekonferenz und bring ein paar anständige Bilder mit!"

Charmeoffensive à la baz

bazkulturmagazin S. 5, Christoph Heim und Sigfried Schibli nehmen den Baselbieter Regierungsrat Urs Wüthrich mal so richtig zur Brust zum Thema "Baselland wie weiter? (...) Fragen (...) zum Kulturklima in einem Kanton, der sich mit der Kultur schwer tut.":

Die Beteiligung von Baselland an den kulturellen Zentrumsleistungen von Basel-Stadt ist immer wieder ein Thema. Halten Sie diese für ausreichend? Ist Baselland nicht letztlich ein Schmarotzer-Kanton?

Ganz im Sinne von: "Hey, Fatso, wie lebt's sich als Profiteur?!?!" Warum der so Befragte den beiden Kulturjournalisten wegen ihrer unkultivierten Art nicht einfach die Tür gewiesen hat? Das ist sein Geheimnis.

Der Asiate an und für sich...

... ist halt viel fleissiger als Du und ich. Im Wirtschaftsteil auf S. 16 gibt der Felix Erbacher uns faulen Säcken mal wieder Saures.

In Asien aber lernen und arbeiten die jungen Menschen fleissiger als in den alten westlichen Industriestaaten, um Karriere zu machen und gleichzeitig ihre laufend steigenden Konsumwünsche zu erfüllen

Und Erbacher, der alte Trendscout, weiss noch mehr:

Den Trend aber müssen wir akzeptieren: Zum gleichen oder sogar zu einem tieferen Lohn mehr leisten. Alles andere ist Wunschdenken. Die Arbeitsproduktivität muss steigen.

Erbacher geht mit leuchtendem Beispiel voran und verzichtet freiwillig auf 30% seines Lohnes zugunsten seines Bosses Mathias Hagemann. Und: Erbacher verspricht, in Zukunft für den kleineren Lohn noch mehr und noch längere Artikel zu schreiben. Finden wir toll!

Es ist alles so schön bunt hier,...

... ich kann mich gar nicht entscheiden, was der eigentliche Skandal ist! S. 24/25 Doppelseite mit den Resultaten einer von der baz in Auftrag gegebenen Analyse der Wahlen. Wenn mir nur jemand erkären könnte, wie die 21 Grafiken auf dieser Doppelseite zu lesen sind?!?! Und wie, zum Teufel, sie zustande gekommen sind? Wie kommt auf einem legalen Weg beispielsweise eine solche Aussage zustande (S. 25 oben rechts, Text zu "SP als Sammelbecken"):

100 Personen, die im Jahr 2000 SP wählten, legten jetzt die SVP-Liste ein.

Oder diese (S. 25 unten links, Text zu SP als Stimmenspender):

Fast 1400 Personen, die vor Jahresfrist der SP die Stimme gegeben hatten, legten jetzt die DSP-Liste ein, die vor vier Jahren nicht im Wahlcouvert war. Beachtlich an dieser Statistik ist auch die Wanderung von 740 Wählenden von der SVP zur DSP.

Wie steht es um den Datenschutz, wenn sich dies feststellen lässt? Wie kommt das Polizei- und MIlitärdepartement (PMD) dazu, das Wahlverhalten jeder Person festzuhalten? Anders ist kaum zu erklären, warum herauszufinden ist, was jemand in der Vergangenheit gewählt hat, der heute SVP wählt. Auch wenn die Daten anonymisiert an das mir bisher völlig unbekannte "Institut für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung" gingen: Es bleibt der Verdacht, dass das PMD die Daten unanonymisiert besitzt. Dürfen wir nicht mehr brieflich wählen oder abstimmen? Müssen wir dann damit rechnen, dass das PMD mitschreibt, was ich einschicke? Ist die Anonymität nur gewährleistet, wenn ich an der Urne erscheine und den Zettel einwerfe, so dass er im Haufen verschwindet, und es nicht mehr rekonstruierbar ist, welcher Zettel zu welchem Couvert gehört? Doris Moser Tschumi, baselstädtische Wahlchefin, was geht hier vor? Behauptet das Institut etwas aussagen zu können anhand der nackten offiziellen Endergebnisse, das es eigentlich nicht kann (Seine Methodik klingt sehr kryptisch. Kann das mal jemand mit dem nötigen sozialwissenschaftlichen Know-How kritisch ansehen? Ich werd den Verdacht nicht los, dass Autor Kohlsche Scharlatanerie betreibt)? Oder haben Sie Daten rausgegeben, die Sie schon gar nicht erheben dürften? Was sagt der Artikel über die Datenlage / Methode? Nicht viel Erhellendes.

Grundlage der Analyse sind die vom Polizei- und Militärdepartement zur Verfügung gestellten Ergebnisse für die Gemeinden und Wahlkreise. Die Wählerwanderungen werden mit einem statistischen Verfahren berechnet, das ausschliesslich die regionalen Ergebnisse faktischen Wählerverhaltens benutzt.

So weit, so nichtssagend. Das ist ja wohl selbstverständlich, dass nur "regionale Ergebnisse faktischen Wählerverhaltens" zu berücksichtigen sind. Was denn sonst? Die Wahlen in den USA??? Grossartig auch die Grafik zu "Einblicke ins Panaschierverhalten". Ganz kurz: Was ist panaschieren? Das: "Panaschieren bedeutet, auf einer Liste einen Namen zu streichen und den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten einer anderen Liste einzusetzen." Und was macht das Institut nun daraus?

Das Panaschierverhalten liefert interessante Einblicke, wie die Wähler die Parteien bei den diversen Wahlen im Links-Rechts-Spektrum eingeordnet haben.

Aber wie genau das gehen soll, wird mir nicht verraten, im Gegenteil:

Im Folgenden sollen nicht die Verläufe der Parteien noch einmal in Worte gefasst werden - die Grafik kann das viel besser -, sondern es soll versucht werden, die Ergebnisse hinsichtlich der Positionen generell und der langfristigen Verläufe zu analysieren.

Autor AJK verrät mir zwar nicht, wie eine Grafik etwas besser in Worte fassen kann, aber item. Vielleicht hat AJK ja die Grafik und vor allem ihre Entstehung ebensowenig verstanden wie ich, darf das aber nicht zugeben. Eine Grafik, der eine solche Peinlichkeit unterläuft:

Aufgrund der Skalierung finden sich SD und EDU 2003 noch ausserhalb des rechten Grafikrandes und mussten deshalb ausnahmsweise ganz links angeordnet werden.

So ein, Pardon, Schmarrn. Die sowieso schon schwer nachvollziehbare Darstellung verliert so ihren letzten Rest an Lesbarkeit. Der Versuch, die Wahlergebnisse zu analysieren, mag ja noch ehrbar sein. Wenn dann aber Zeugs dabei rauskommt, wie diese Doppelseite, die nichts erklärt, sondern nur neue, grosse Fragezeichen hinterlässt (u.a.: Warum verkauft die baz als harte Fakten, was aufgrund diskutabler statistischer Annahmen und entsprechender Zahlenschieberei entstanden ist?), dann war die Übung für die Katz - und das Geld, das Herrn Dr. Andreas J. Kohlsches Analyse verschlungen hat, zum Fenster raus geworfen. Damit hätte sich wohl der Veranstaltungskalender der baz, der ab morgen nur gegen Entgelt Hinweise publiziert, noch lange kostenlos halten lassen.

Freitag, 29. Oktober 2004

Heureka, eine neue Partei!

S. 23, Claudia Kocher über die Abgabe der Unterschriften für das Referendum gegen das Gastgewerbegesetz.

Als negatives Beispiel führt Christian Mueller von den Jungsozialen an, dass bereits jetzt einzelne Anwohner ganze Betriebe lahm legen könnten - wie bei der Carambar oder bei der Schliessung des Eventhouses.

Die Jungsozialen? Zwar stimmt, dass die SP nicht "Sozialistische Partei" heisst, aber ihre Jugendsektion nennt sich trotzdem "Jungsozialisten", weshalb eines ihrer Mitglieder doch wohl "Jungsozialist" heissen müsste. Wer ein "Jungsozialer" ist, ist wohl "nur" ein weniger als 20 Jahre alter Gutmensch, was aber noch nichts über sein Verhältnis zum Sozialismus aussagt.

Volltreffer!

S. 21, Timm Eugster über die Reaktion der Universität zum Sparentscheid der Regierungen der beiden Basel.

Deutliche Worte findet Hans-Jakob Wirz, Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät: "Ständig betonen die Regierungen, wie wichtig die Universität für die Region sei - aber dass sie sich mit ihrer Politik ins eigene Bein schiessen, merken sie nicht."

Sie merken nichts, weil sie genau wissen, dass sie sich erst "in den eigenen Fuss schiessen" müssen, bis das Sprachbild etwas heisst.

Alle Macht den Sowjets!

bazkultur.magazin S. 3, Daniel Wiener stellt in seiner beliebten Kolumne "Unsere kleine Stadt" fest, dass der Kanton BS eigentlich, bei genauer Betrachtung, von nur 12 Prozent der Bevölkerung regiert wird, resp. nur 12% die Mehrheit im Grossen Rat gewählt haben.

Es stellen sich heikle Fragen: Funktioniert unsere Demokratie unter diesen Bedingungen noch? Würden nicht repräsentative Umfragen oder Beteiligungsverfahren mit Bürgerversammlungen, runden Tischen und Konsultationen von Fall zu Fall eine höhere Legitimation erzielen?

Es stellen sich heikle Fragen: Hat die Schweizer Version der Demokratie je anders funktioniert? Warum kommt Wiener mit seinem Vorschlag, alle Macht den Sowjets zu übertragen (copyright: W. I. Lenin 17.4.1917) , gerade jetzt, nach einer Wahl mit immerhin 44% Wahlbeteiligung (guter Durchschnitt!), die SP & Co in eine komfortable Position gebracht hat? Und: Warum verlässt ihn die Argumentationskraft, wenn er einen weiteren, durchaus bedenkenswerten Vorschlag macht:

Wenn schon 56 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichten, sollten mindestens jene Ausländerinnen und Ausländer, die davon Gebrauch machen wollen, diese Möglichkeit erhalten.

Ein Scheinargument. Schade. Es gäb auch richtige. Der Mut verlässt Wiener vollends, wenn der Autor sich dem Stimm- und Wahlalter Null zuwendet:

Ebenso wichtig wäre der Einbezug der Kinder. Eltern könnten von Geburt an bis zur Mündigkeit für jeden Sprössling eine zusätzliche Stimme abgeben. Damit würden die Interessen der Jungen, mithin der Zukunft stärker gewichtet. Zugleich entstünde zwischen Eltern und Heranwachsenden ein Diskurs über die richtige Wahl. Diese innerfamiliäre Bildungsarbeit würde Kinder schon früh in ihre politischen Rechte einführen.

Der Paternalismus eines Altlinken drückt wieder durch: Eltern sollen im Namen der Kinder stimmen und wählen. So, wie die Avantgarde der kommunistischen Partei genau weiss, was gut ist für das Proletariat? Nee, so wird das nix. Wenn schon: Stimm- und Wahlalter Null! Dann, wenn Kinder und Jugendliche wollen, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen erachten, dann dürfen sie an die Urne. Ohne dass ihnen Papa oder Mamma den Zettel ausfüllt. Paternalismus "innerfamiliäre Bildungsarbeit" zu nennen, sich davon einen "Diskurs über die richtige Wahl" zu versprechen, ist - mindestens - blauäugig.

positiver Bazismus

bazkultur.magazin S. 5, Silvano Cerutti über den Protestrock als Missverständnis. Man darf ja auch mal eine Formulierung nennen, die einem gefallen hat:

Wer in den Neunzigern eine Rockband nach ihrer politischen Position fragte, kam etwa so gut an, wie jemand, der sich beim Familienfest nach dem Verbleib des Nazi-Onkels erkundigt.

Einziger Makel: Nazi-Onkel ist etwas unscharf, etwas sehr deutsch - unter Umständen. Welcher ist gemeint? Der Onkel, der bei den Nazis war? Der Onkel, der heute mit den Neonazis sympathisiert? Der Onkel, den sowieso alle für ein Arschloch halten? Warum nicht guteidgenössisch: "Frontisten-Onkel"?

Verschwindibus

bazkultur.magazin S. 11, Verena Naegele über den Umgang mit dem Erbe von Bach, Schuhmann, Mendelssohn, Wagner & Co in den ostdeutschen Bundesländern.

Nach den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg und der Isolation, die der "Eiserne Vorhang" mit sich brachte, verschwand das musikalische Bewusstsein der Stadt vorübergehend in der Versenkung.

Das Bewusstsein in der Versenkung? Dunkel war's, der Mond schien helle... Aber wir sehen Licht am Ende des Tunnels:

Erst in jüngster Zeit rückt die Musik wieder ins Licht, allerdings sehr zögerlich und problembeladen, und es fehlt an öffentlichem Geld.

Zögerlich rückt die problembeladene Musik mit leerem Portemonnaie wieder ins Licht? Wir riechen den Sinn, das wohl. Allein...

Was ein Schock!

S. 13, Wirtschaf, Stefan Schuppli über den Stellenabbau bei ICF

Neuer Arbeitsschock für die Region Basel:(...)

Wir kennen den Kälteschock, den Hitzeschock: Da wirken sich übertriebene plus- oder minus-Temperaturen schockartig aus. Wie aber äussert sich ein Arbeitsschock? Die Arbeit schockiert? Die Arbeit ist schockiert? Wieder ein Fall von: Wir riechen den Sinn, das wohl. Allein...

Donnerstag, 28. Oktober 2004

so brutal!

bazkultur.magazin S. 17, Charlotte Staehelin über "Wie es euch gefällt" am Theater Basel.

Während in den Wäldern die Blätter dem sicheren Kältetod entgegensehen, bringt auf der Schauspielhausbühne ein laues Lüftchen das Blut in Wallung.

Rette sich, wer kann, die Blätter! Oder so. Was so anhebt als Artikel, braucht natürlich einen Titel wie den:

Heisses Brennen in den Ardennen

Was steckt dahinter?

Frontseite, Claudia Kocher über RR Tschudi, der nicht mehr antritt zum 2. Wahlgang.

"Es ist Tschudi sehr, sehr schwer gefallen", so Zacher über den Entscheid des Regierungsrats. Doch wieder in den Wahlkampf, wo ihn Häme und Distanz der Kollegen erwartet hätten - dem habe er sich nicht mehr aussetzen wollen.

Schreibt Kocher, habe Zacher gesagt, habe Tschudi gesagt? Tschudi, der Sensible ("Persönlich mag es mich allerdings schon, dass es mir im ersten Wahlgang nicht gereicht hat, vor allem weil meine Kollegen alle drin sind."), hat genug davon, immer gehänselt zu werden? Was sind das überhaupt für "Kollegen", die von weitem nur Häme für den Letztplatzierten übrig haben? Hat da der kleine Hamatschu nicht recht, dass er den Kindergarten wechseln will? Böse Zungen behaupten schon, die Bürgerlichen (die heissen in der baz konsequent die "traditionellen Bürgerlichen") hätten seinen Rücktritt erkauft. Etwa so: "Du trittst einfach nicht mehr an! Dafür dass Du Mike B. Platz machst, bekommst Du einen goldenen Verwaltungsratssitz bei mir. Erzähl einfach, Du wollest dich neu orientieren. Das klingt immer gut. Du musst langfristig denken! Und mit Deinen 10 Amtsjahren bekommst Du ja fast 80% Deines letzten Lohns als Rente. Bis Du tot umfällst. Plus meine Honorare. Rechne mal! Weniger arbeiten und dabei mehr verdienen. Das ist doch attraktiv!" Böse Zungen, wie gesagt. Von wem der kleine Hamatschu nämlich tatsächlich Distanz und Häme erfährt, das ist von bazist Valentin Kressler. Der Jungspund gibt's ihm aber ordentlich:

DSP-Justizminister Hans Martin Tschudi führte finanziell den wohl aufwändigsten Wahlkampf aller 15 Regirungsratskandidaten. Das Geld hätte er sich sparen - und damit 20954 Wählerinnen und Wähler, seine Partei und sein hochkarätiges Unterstützungskomitee vor einer riesigen Enttäuschung bewahren können. "Hamatschus" überraschender Abgang durch die Hintertür ist schwach. Sehr schwach.

Gesammelte Bazismen

Die baz (Basler Zeitung) ist die beste Zeitung der Welt und ich bin ihr Prophet! It's a dirty job, but somebody's got to do it! language is a baz-illus! Hier können übrigens alle mitschreiben. Alle mit einem twoday-account. Und der ist gratis! Feedback via "bazismus @ mac.com".

Suche

 

WERBUNG

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Archiv

September 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Bürger als Hominide:...
Die Studenten in Professor Berentsens Vorlesungen schauen...
thomas ramseyer - 17. Dez, 14:28
Corrigendum
Neue BaZ - altes Problem: Nachdem das alte Lektorat...
piccolomini - 22. Mai, 16:56
Messmer
Auf Französisch heisst Manfred Messmer «imbéssile»....
Canus de Canisac - 16. Mär, 16:06
GL-Mitglied der BaZ-Medien...
Ein Basler-Zeitung-Medien-Gesc häftsleitungsmitglied...
aramis - 11. Nov, 09:27
Chronik eines angekündigten...
Ein chronisch überbewertetes Online-Portal eines ebensolchen...
aramis - 29. Okt, 09:51

Status

Online seit 7637 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Dez, 14:28

Credits


Abt. Grossstadtpresse
keines
Kurioses
Schleichwerbung
web 2.0 ist, wenn...
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren