Alle Macht den Sowjets!
bazkultur.magazin S. 3, Daniel Wiener stellt in seiner beliebten Kolumne "Unsere kleine Stadt" fest, dass der Kanton BS eigentlich, bei genauer Betrachtung, von nur 12 Prozent der Bevölkerung regiert wird, resp. nur 12% die Mehrheit im Grossen Rat gewählt haben.
Es stellen sich heikle Fragen: Funktioniert unsere Demokratie unter diesen Bedingungen noch? Würden nicht repräsentative Umfragen oder Beteiligungsverfahren mit Bürgerversammlungen, runden Tischen und Konsultationen von Fall zu Fall eine höhere Legitimation erzielen?
Es stellen sich heikle Fragen: Hat die Schweizer Version der Demokratie je anders funktioniert? Warum kommt Wiener mit seinem Vorschlag, alle Macht den Sowjets zu übertragen (copyright: W. I. Lenin 17.4.1917) , gerade jetzt, nach einer Wahl mit immerhin 44% Wahlbeteiligung (guter Durchschnitt!), die SP & Co in eine komfortable Position gebracht hat? Und: Warum verlässt ihn die Argumentationskraft, wenn er einen weiteren, durchaus bedenkenswerten Vorschlag macht:
Wenn schon 56 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichten, sollten mindestens jene Ausländerinnen und Ausländer, die davon Gebrauch machen wollen, diese Möglichkeit erhalten.
Ein Scheinargument. Schade. Es gäb auch richtige. Der Mut verlässt Wiener vollends, wenn der Autor sich dem Stimm- und Wahlalter Null zuwendet:
Ebenso wichtig wäre der Einbezug der Kinder. Eltern könnten von Geburt an bis zur Mündigkeit für jeden Sprössling eine zusätzliche Stimme abgeben. Damit würden die Interessen der Jungen, mithin der Zukunft stärker gewichtet. Zugleich entstünde zwischen Eltern und Heranwachsenden ein Diskurs über die richtige Wahl. Diese innerfamiliäre Bildungsarbeit würde Kinder schon früh in ihre politischen Rechte einführen.
Der Paternalismus eines Altlinken drückt wieder durch: Eltern sollen im Namen der Kinder stimmen und wählen. So, wie die Avantgarde der kommunistischen Partei genau weiss, was gut ist für das Proletariat? Nee, so wird das nix. Wenn schon: Stimm- und Wahlalter Null! Dann, wenn Kinder und Jugendliche wollen, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen erachten, dann dürfen sie an die Urne. Ohne dass ihnen Papa oder Mamma den Zettel ausfüllt. Paternalismus "innerfamiliäre Bildungsarbeit" zu nennen, sich davon einen "Diskurs über die richtige Wahl" zu versprechen, ist - mindestens - blauäugig.
Es stellen sich heikle Fragen: Funktioniert unsere Demokratie unter diesen Bedingungen noch? Würden nicht repräsentative Umfragen oder Beteiligungsverfahren mit Bürgerversammlungen, runden Tischen und Konsultationen von Fall zu Fall eine höhere Legitimation erzielen?
Es stellen sich heikle Fragen: Hat die Schweizer Version der Demokratie je anders funktioniert? Warum kommt Wiener mit seinem Vorschlag, alle Macht den Sowjets zu übertragen (copyright: W. I. Lenin 17.4.1917) , gerade jetzt, nach einer Wahl mit immerhin 44% Wahlbeteiligung (guter Durchschnitt!), die SP & Co in eine komfortable Position gebracht hat? Und: Warum verlässt ihn die Argumentationskraft, wenn er einen weiteren, durchaus bedenkenswerten Vorschlag macht:
Wenn schon 56 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichten, sollten mindestens jene Ausländerinnen und Ausländer, die davon Gebrauch machen wollen, diese Möglichkeit erhalten.
Ein Scheinargument. Schade. Es gäb auch richtige. Der Mut verlässt Wiener vollends, wenn der Autor sich dem Stimm- und Wahlalter Null zuwendet:
Ebenso wichtig wäre der Einbezug der Kinder. Eltern könnten von Geburt an bis zur Mündigkeit für jeden Sprössling eine zusätzliche Stimme abgeben. Damit würden die Interessen der Jungen, mithin der Zukunft stärker gewichtet. Zugleich entstünde zwischen Eltern und Heranwachsenden ein Diskurs über die richtige Wahl. Diese innerfamiliäre Bildungsarbeit würde Kinder schon früh in ihre politischen Rechte einführen.
Der Paternalismus eines Altlinken drückt wieder durch: Eltern sollen im Namen der Kinder stimmen und wählen. So, wie die Avantgarde der kommunistischen Partei genau weiss, was gut ist für das Proletariat? Nee, so wird das nix. Wenn schon: Stimm- und Wahlalter Null! Dann, wenn Kinder und Jugendliche wollen, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen erachten, dann dürfen sie an die Urne. Ohne dass ihnen Papa oder Mamma den Zettel ausfüllt. Paternalismus "innerfamiliäre Bildungsarbeit" zu nennen, sich davon einen "Diskurs über die richtige Wahl" zu versprechen, ist - mindestens - blauäugig.
patpatpat - 29. Okt, 11:53
3 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Struntz - 29. Okt, 14:25
Jetzt hat ...
... dieser Wiener Kolumnenknab endlich einmal eine einigermassen anständige Kolumnenidee, und schon fährst du ihm wieder über den Griffel! (Aber rechts hast ja schon)
aramis - 29. Okt, 17:24
Ist das nicht...
... eine Kappeler-Idee? Entsinne mich, das einmal von Kappeler gelesen zu haben. Ah ja, Niederschlag in einer Rezension von einem Kappeler-Buch:
"Beat Kappeler, nur wenig jünger als Polo, möchte umgekehrt Leute mit Kindern belohnen und ihnen eine höhere Stimmkraft zuteilen. Bis die Kinder mündig sind, sollen einfach die Eltern für ihre Kinder abstimmen und wählen dürfen, treuhänderisch. So hätte jeder Mensch, ob gross oder klein, eine Stimme."
Und das war wohl hier:
http://www.weltwoche.ch/artikel/print.asp?AssetID=7464&CategoryID=60
"Beat Kappeler, nur wenig jünger als Polo, möchte umgekehrt Leute mit Kindern belohnen und ihnen eine höhere Stimmkraft zuteilen. Bis die Kinder mündig sind, sollen einfach die Eltern für ihre Kinder abstimmen und wählen dürfen, treuhänderisch. So hätte jeder Mensch, ob gross oder klein, eine Stimme."
Und das war wohl hier:
http://www.weltwoche.ch/artikel/print.asp?AssetID=7464&CategoryID=60
aramis - 30. Okt, 10:30
Und zur Legitimation...
...der "Beteiligungsverfahren mit Bürgerversammlungen": Gab es das nicht einmal in Basel? Damals nahmen doch rund 1000 Personen teil (http://www.werkstadt-basel.ch/aktion/Konsenskonferenzen/index.html). Die Wohnbevölkerung beträgt derzeit 188 343 Personen (und nicht 188 342, weil wir Didi dazu zählen: http://statistik.bs.ch/themen_1.html), inklusive Säuglinge, Ausländerinnen und SVP-ler. Die Beteiligung betrug also etwa 0,5 Prozent. Und das soll eine höhere Legitimation bringen als die letzten Wahlen? To put it differently: Die "Werkstadt Basel" fand ihre Legitimation erst an der Urne, und nicht etwa in einer (unverbindlichen) Telefonumfrage.
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