Donnerstag, 21. Oktober 2004

potenziell eventuell: kriminell!

baz Frontseite, Christian Mensch über die Affäre Behring

Dutzende von potenziell geprellten Anlegern haben sich gestern bei der Basler Polizei gemeldet.

Ist es zulässig, "potenziell" zu schreiben, wenn "eventuell" oder "möglicherweise" gemeint ist? Die Experten streiten sich. Die eine Hälfte meint: Ist doch egal! Die andere insistiert: Nein! "Potenziell" verweist auf eine Fähigkeit / Möglichkeit, die in etwas steckt, aber - quasi - noch nicht zur vollen Blüte gelangt ist, aus was für Gründen auch immer. "Sie kann Klavier spielen: Eine potenzielle Kandidatin für die Stelle der Barpianistin!" Oder: "Er interessiert sich für Bücher: ein potenzieller Leser Deines Romans." Aber stimmt auch das: "Er hat bei Behring investiert: er ist ein potenziell geprellter Anleger." Wie gesagt: Die Experten streiten sich.

The Binswanger Supremacy

bazkultur.magazin S. 2 ff Michèle (seid's gegrüsst!) Binswanger eher lobend über den Film "The Bourne Supremacy":

Paul Greengrass hat mit "The Bourne Suprremacy" einen Film von atemberaubendem Tempo gedreht. Ganz schön nah an der Schwelle der Zumutbarkeit.

Aber auf welcher Seite der Schwelle? Und von wo spricht Binswanger? Ist wurst? Nee, ist nicht wurst. Entweder ist er noch zumutbar und nahe an der Schwelle zur Unzumutbarkeit oder er ist unzumutbar und nahe an der Schwelle zur Zumutbarkeit. Wo aber ist er, wenn er "an der Schwelle der Zumutbarkeit" ist? Who's side is it on?

schreiben gestern, heute, morgen

baz S. 31, Patrick Marcolli über eine Ausstellung im historischen Museum (das nicht ein - wie laut baz - "historisches" sondern ein "Historisches" ist, und dessen Website nicht hier - wie laut baz - www.historischesmuseum.ch, sondern hier www.historischesmuseumbasel.ch ist. Aber lasten wir das alles mal dem Korrekturprogramm von Word an, nicht Marcolli...)

"Blickfänger. Historische Fotografien in Basel aus zwei Jahrhunderten" ist ein Politikum. In retrospektiver, gegenwärtiger wie prospektiver Hinsicht.

Das mag ja sein. Aber was heisst es? Was ist eine Ausstellung, die z.B. in gegenwärtiger Hinsicht ein Politikum ist? Ich versteh's nicht.

Zum einen ist die Ausstellung die Folge eines parlamentarischen Vorstosses vom September 1998. Grossrat Felix Eymann wollte damals von der Basler Regierung wissen, wie sie sich zur Erhaltung verschiedener Basler Fotoarchive stellt. Eine definitive Antwort steht noch aus. Das ist der aktuelle politische Bezug.

Bin ich blind, dass ich noch immer nicht verstehe, warum die fehlende Antwort auf eine sechs Jahre alte Frage den aktuellen Bezug darstellt? Aber mir fehlt sowieso das richtige Bewusstsein. Vielleicht muss ich einfach in die Ausstellung, denn:

Diese und andere Bilder aus der weiten Welt lassen uns wieder einmal bewusst werden, dass die Geschichte der Fotografie immer eine Geschichte der Wanderungsbewegung ist. Und Basel sich - auch - hier als sehr offen, "durchlässig" zeigte und als Anziehungspunkt wirkte.

Basel - auch - ein Anziehungspunkt für die Wanderungsvögel der Geschichte? Das lassen mich (oder mir?) Fotos aus der weiten Welt bewusst werden? Ich bin nicht bösen Willens. Allein, mir fehlt der Glaube!

Freche, kleine Kunstkritik

bazkultur.magazin, Tadeus Pfeifer über eine Ausstellung mit Werken von 16 ehemals "Jungen Wilden" in der Galerie Triebold in Riehen unter dem Titel "Freche, kleine Widerstandsriffe":

Dann, ziemlich plötzlich, der Einbruch: Quasi von der einen auf die andere Saison waren die Bilder wenig mehr wert, Sammlungsbudgets und grosse Investitionen brachen zusammen. Heute haben sich die Preise im mittleren Segment eingependelt.

Halten wir kurz fest: Budgets können schrumpfen oder gekürzt werden, Investitionen können ausbleiben. Aber dass beide gemeinsam zusammenbrechen, ist etwas viel verlangt. Notfalls ginge das zwar noch durch. Aber da fehlt eindeutig etwas (ausser Pfeifer meint das extrem umständlich und altmodisch): "waren die Bilder wenig mehr wert". Er meint natürlich, die Bilder "waren nur noch wenig wert" über's Jahr. Das rieche ich sehr wohl. Aber les es nicht. Es fehlt eine Vergleichsgrösse. Es fehlt nur ein Butterbrot: "waren die Bilder wenig mehr wert als ein Butterbrot". Und alles wär in Butter, ist es aber nicht wirklich.

Dem heutigen Auge scheinen die Bilder schlüssiger als dem damaligen. Da bilden die "Jungen Wilden", die heute älter und teilweise schon verstorben sind, veritable kleine Widerstandsriffe, denn das von manchen seinerzeit befürchtete Ende der Kunstgeschichte hat nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Sie hat mit ihrem immer neu gestörten Verlauf genau den Blick geschärft, der sich seinerzeit gerne in der Vergangenheit verloren hätte. Wie immer hinkt die Rezeption hintendrein.

Nein, ich erfinde nichts, das steht heute so in der Zeitung! Nehmen wir ein Beispiel: Anselm Stalder. Ja, er ist heute älter als 1980. Das also stimmt: "die heute älter (...)". Aber: Ist er auch "teilweise schon verstorben"? Ist ihm auf einer Bergtour eine Zehe abgefroren? Ich weiss es nicht. Vielleicht ist Pfeifer da einfach besser informiert als ich. Oder, ein anderes Beispiel: Martin Disler. Ist er älter als 1980? Im Prinzip ja. Aber er ist nicht älter als 1996. Denn Martin Disler ist - und das nicht nur teilweise - in dem Jahr gestorben. Was also meint Pfeifer mit "die 'Jungen Wilden', die heute älter und teilweise schon verstorben sind"? Ich könnte ihn schon verstehen, will aber nicht.

Die oft sehr figürlichen Motive, die sich in der Folge des "falschen Malens" aufzulösen begannen, wurden zu einer Welt der Zeichen, die versuchsweise ihrer Bedeutung beraubt sind. Im Nachhinein wird dadurch erst recht die Bedeutungsfrage gestellt, und das Kunsterlebnis stellt sich via diesen Umweg ein.

Über den Umweg der im Nachhinein gestellten Bedeutungsfrage beraubt Pfeifer seinen Artikel, der sich in der Folge des "falschen Schreibens" aufzulösen beginnt, nicht nur versuchsweise der Bedeutung.

Die Radikalität der Infragestellung wird von der Galerie lustig mitgetragen: Ein grosses Hochformat von Dokoupil wurde aus Platzgründen kurzerhand quer gehängt - nicht zu seinem Schaden.

Eine gute Idee! Druckt Pfeifers Artikel in Zukunft quer! Das wär eine adäquate Art, ihn lustig in Frage zu stellen - nicht zu seinem Schaden! Teeren und Federn sind leider ausser Mode gekommen.

wenn loser mit losern losen

bazkzultur.magazin S. 5, Sigfried Schibli mit einem kritischen Kommentar über das der ukrainischen Kultur gewidmete, in Schiblis Augen schlecht organisierte und offenbar teils sehr schlecht besuchte Festival, das in Sigfrieds Schreibweise "Culturespaces" heisst, das die Organisatoren aber
"Culturescapes" nennen... "'spaces' oder 'scapes', mir doch egal! 1. merkt es keiner, 2. bin ich als Sigfried (was quasi dasselbe ist wie Siegfried) nahezu unverwundbar, 3. sind es ja eh nur Buchstaben und 4. schreiben die Kulturbanausen in Amerika ja auch "landscape" und "netscape", wo es "landspace" und "netspace" heissen müsste!" wird sich Schibli wohl gedacht haben.

Stell dir vor, es ist Festival, und keiner geht hin. Unvorstellbar? Leider nicht.

Wie sieht die Faktenlage aus? Schibli hat ein Konzert besucht und war dort fast alleine. Darum will er als Einstieg in seinen Artikel, dass ich mir ein Festival vorstelle, das niemand besucht. OK, hab ich, das ist sehr gut vorstellbar, kein Problem. Er aber fragt nach: "Unvorstellbar?" Nein, sag ich, problemlos vorstellbar. Darauf er: "Leider nicht." Warum jetzt "leider"? Warum tut es ihm leid, dass ich mir ein Festival vorstellen kann, das niemand besucht? Nee, so geht das nicht. Aber, wurst, nennen wir es kreativen Umgang mit der Sprache. Der Kommentar geht, leider, noch weiter.

Festivalchef Juriaan Cooiman hat ein illustres Patronat aus Kultur und Wissenschaft zusammengetrommelt, das für sein Programm einsteht. Und es ist ihm gelungen, Sponsoren und staatliche Geldgeber von der Pro Helvetia bis zum Fachausschuss Musik als Geldgeber zu gewinnen. Partner-Institutionen sind das Literaturhaus, die Gare du Nord, das Od-Theater und andere.

Klingt gut. Als nächstes stellt er fest, dass das Auftaktkonzert schlecht besucht gewesen sei, das unbekannte Orchester aus Rumänien uninspiriert gespielt habe und überhaupt zu wenig Werbung für das Festival gemacht worden sei. Und dann, man erinnere sich kurz an die illustre Liste der Sponsoren und Göttis des Festivals, nimmt Si(e)gfried (der Name ist Programm) den Zweihänder.

Man wird den Eindruck nicht los, hier hätten sich Verlierer mit Verlierern verbündet, um zu verlieren.

Ist das Schiblis Vorstellung von wohlargumentierender Kritk an einer Veranstaltungsreihe? Stell dir vor, es ist Schibli und kein Gedanke geht hin! Gut vorstellbar, nicht?

Gesammelte Bazismen

Die baz (Basler Zeitung) ist die beste Zeitung der Welt und ich bin ihr Prophet! It's a dirty job, but somebody's got to do it! language is a baz-illus! Hier können übrigens alle mitschreiben. Alle mit einem twoday-account. Und der ist gratis! Feedback via "bazismus @ mac.com".

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Zuletzt aktualisiert: 17. Dez, 14:28

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